JLID - Suche Dir einen Menschen, von dem Du lernen kannst
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Die Menschen an Deiner Seite

Suche Dir einen Menschen, von dem du lernen kannst

Suche dir einen Menschen, von dem du lernen kannst. Suche dir einen Menschen für eine Freundschaft. Beurteile einen jeden Menschen nach seiner guten Seite.

Sprüche der Väter Kapitel 1, Vers 6

Moment, denke ich beim ersten Lesen des Spruches, der gerade zu hören war: Warum sind es zwei verschiedene Personen, die ich suchen soll? Eine, von der ich lernen – und eine, deren Freundin ich sein kann? Lerne ich nicht von jeder Person, mit der ich befreundet bin? Und lerne ich nicht am besten von Personen, die ich mag?

Ein erneutes Nachdenken über diese Einteilung lässt mich an meine Teilnahme an Dialogformaten denken, als Studentin, und an die Menschen, die ich dort kennenlernte. Der Wunsch, in den Dialog zu treten, geht oft mit der Suche nach Freundschaften einher. Es ist selbstverständlich sehr schön, solche Freundschaftsschließungen zu beobachten – und selbst zu pflegen; keine Frage!

Noch nie jedoch habe ich so fokussiert darüber nachgedacht, dass die eindrücklichen Lernmomente, die ich im Kopf habe, wenn ich nach solchen „learnings“- also Erkenntnissen aus meiner Beteiligung in Begegnungsprojekten gefragt werde, nicht unbedingt im Gespräch mit Menschen geschehen, die dann meine Freund*innen wurden. Was für eine wunderbare Sensibilisierung steckt also in diesem Spruch.

Suche die Person, von der du etwas lernen kannst. Dadurch, dass im zweiten Satz die Aufforderung erfolgt, sich eine Person für Freundschaft zu suchen, wird für die erste Aufforderung ein wichtiges Detail kundgegeben. Um wichtige Dinge zu lernen, um uns weiterzuentwickeln, brauchen wir nicht nur Menschen, die wir als Freund*innen betrachten. Wir brauchen nicht nur Menschen, die uns in unserer Suche nach Anerkennung und Zugehörigkeit bestätigen.

Andersherum gelesen steckt in dem Spruch auch etwas erleichterndes. Wenn jemand mich als Jüdin sucht, um etwas lernen, muss dies eben nicht in Freundschaft enden. Es kann, muss aber nicht.

Für einen Lernprozess sollte nicht Sympathie im Vordergrund stehen, sondern die Sache, die man lernen möchte, der Horizont, den man erweitern will. Sich danach aktiv auf die Suche zu begeben, erfordert die Bereitschaft, sich auf diesen Prozess einzulassen. Auch, wenn es wehtut, weil man merkt, wie begrenzt der eigene Horizont bisher ist. Diese Bereitschaft wünschen sich JudenJüdinnen und andere in Deutschland mehr als gleich zu Freundinnen werden zu müssen.

Angesichts gesellschaftlicher Schieflagen liegt mir der letzte Teil des Spruches schwer im Magen. Menschen, die meine Identität oder Teile von ihr ablehnen, Menschen mit politischen Zielen, die die Lebensgrundlagen und Chancen derjenigen aus meiner Community und derjenigen, die ich aus Dialogformaten kenne, bedrohen, kann ich gerade nicht einzeln nach ihrer guten Seite beurteilen. Diese Aufforderung muss ich mir aufheben, bis der Zeitpunkt gekommen ist, an welchem es möglich sein wird.

Rachel de Boor

Dieser Podcast wird freundlich unterstützt von:

ELES - Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk e.V. Eine Initiative der Leo Baeck Foundation www.eles-studienwerk.de

Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Landes Brandenburg mwfk.brandenburg.de

F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz www.stiftung-toleranz.de

Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden www.baptisten.de

Erzbistum Berlin www.erzbistumberlin.de

EKBO – Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz www.ekbo.de

Domradio www.domradio.de

Evangelische Akademie zu Berlin www.eaberlin.de

Der Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland

AMCHA-Stiftung Deutschland www.amcha.de

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