24 - Sinn und Arbeit
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Über den Sinn von Arbeit und Leben und den zielführenden Umgang mit Werten

Man kann nicht über Sinn oder Sinnhaftigkeit sprechen, ohne das Thema Werte aufzugreifen: Was ist einer Person wichtig, was ist für sie von welcher Bedeutung? Hier liegt in gewisser Weise auch ein Problem, wenn man über Sinn, konkret beispielsweise den Sinn der Arbeit oder den Sinn des Lebens spricht: Es handelt sich um ein hochgradig individuelles Konstrukt.

Die aktuelle Situation

Die Frage nach dem Sinn der Arbeit sowie damit verbunden die Suche oder auch das Verlangen danach, ist ein eher junges Phänomen im Business-Coaching. Noch vor zehn oder 15 Jahren war das ein Randthema, dagegen ist es seit etwa drei Jahren ungleich präsenter und vor allem ist es von enormer Bedeutung für die Klientinnen und Klienten, die das ansprechen. Auffällig ist es zudem, dass gerade sehr erfahrene und durchaus auch ältere Führungskräfte von sich aus offen und gezielt mit der Sinnfrage ins Coaching kommen. Dennoch sind es mehrheitlich jüngere Menschen, die diese Frage aufwerfen: Ohne Erfüllung ihrer Werte, ohne einen Sinn in dem zu sehen, was sie tun, ist ihre Arbeit nur ein (austauschbarer) Job, den man eben macht. Und diesen Job erledigt man zwar adäquat, aber auch nur im Sinne des „Dienstes nach Vorschrift“. Eigeninitiative, Kreativität, gar Identifikation oder noch viel mehr Stolz auf das, was man macht, kommt so nicht auf.

Diese Entwicklung ist allgemein beobachtbar und man kann grob sagen, dass sie – aktuell – von Generation zu Generation an Bedeutung und Prägnanz zunimmt. Natürlich gibt es dann auch Übertragungen, weshalb ältere Generationen, wie zuvor erwähnt, sich auch zunehmend mit der Sinnfrage beschäftigen. Ein deutlicher Effekt dieser Entwicklung: In Stellenanzeigen wird offensiv mit Sinn und Werten für sich geworben.

Das Spiel der Stellenanzeigen mit Werteerfüllungsversprechung ist ein zweischneidiges Schwert, da es zwar durchaus eher allgemeine Werte gibt, auf die sich eine große Mehrheit einigen kann – aber daneben gibt es sehr viele individuell geprägte Werte und Wertvorstellungen. So ist das Frustrationspotential von solchen Versprechen recht hoch und das Vorgehen eher mit Vorsicht zu genießen.

Welche Werte spielen im Führungskontext eine Rolle?

Fragt man im Coaching die Person direkt nach ihren Werten, so kommen erfahrungsgemäß „Allerweltswerte“, die ein gutes Leben bzw. ein harmonisches Miteinander betreffen oder Werte, denen sie eine gewissen soziale Erwünschtheit zuschreiben.

Im Coaching ist es daher nützlich, die Klientin oder den Klienten nach den Erwartungen und erwünschten Werten der Mitarbeiter zu fragen (z.B. Strebsamkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit usw.). Im Anschluss daran wird gefragt, was die Person im Gegenzug in ihrer Rolle als Führungskraft anbiete, welche Werte sie hier vorleben möchte. Hierbei kommen nicht selten Werte zutage, die auf einen starken Gerechtigkeitssinn, eine Leistungsorientierung oder ein Streben nach Sicherheit und Harmonie hinweisen. Dieser Prozess der Wertededuktion ist äußerst erkenntnisreich, aber nicht selten auch überaus schwierig, da so die Personen merken, dass sie zwar bestimmte Werte sehr deutlich einstehen – sie aber selbst nicht leben.

Die Aufgabe des Coaches ist es hier, auf diese Diskrepanz aufmerksam zu machen, diese blinden Flecken ans Licht zu bringen. Danach gilt es zu prüfen, ob der nichtgelebte bzw. nichtvertretene Wert obsolet ist oder ob er tatsächlich stärker in den Handlungsfokus der Führungskraft rücken soll. Ähnliches gilt für Wertekonflikte, da manche Werte nur auf Kosten anderer Werte realisierbar sind: So stehen sich beispielsweise ein hohes Maß an Freiheit und ein großes Verlangen nach Sicherheit im Wege, da das eine das andere zwangsläufig beschränkt. Dabei können Wertekonflikte die Klientin bzw. den Klienten stark in Anspruch nehmen, Entscheidungen deutlich erschweren, Blockaden erzeugen und ein hohes Maß an Verunsicherung und Frustration schaffen. Hier gilt es, sich des Konflikts bewusst zu werden und auch ein Werteranking einzuführen, das die Werte entsprechend vorher festgesetzter Faktoren (z.B. Bedeutsamkeit) sortiert. Ein weiterer Vorteil dieses Rankings ist auch, dass man so Wertekonflikte unter jenen am höchsten priorisierten Werten schnell erkennen kann.

Die Erschaffung von Sinn

Wie entsteht „Sinn“? Nach Viktor Frankl – dem Psychiater, der die Frage nach dem Sinn im Grunde ins Zentrum seines Denkens stellte – entsteht Sinn durch die selbstvergessene bzw. selbstlose Hingabe an einen Menschen oder eine Sache. Es bedarf also einer tiefen Versunkenheit in eine Sache oder Handlung, man ist dann vollkommen im Flow. Allerdings bedeutet das auch, dass Sinn nicht auf direktem Wege und schon gar nicht sofort – und bewusst – erreicht werden kann. Man kann keinen Sinn aus dem Nichts bzw. aus dem beziehungsfreien Raum erschaffen. Man kann höchstens in der intensiven Rückschau nachverfolgen, wann sich ein bestimmter Sinn gebildet hat.

Besonders schwierig wird es, wenn Klientinnen und Klienten merken, dass sie den Sinn verloren haben: Sie sehen keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit, manchmal auch keinen Sinn in ihrem Leben. Das erschafft ein sehr hohes Maß an Verzweiflung. Fällt die Person allerdings aus dieser Verzweiflung in eine tiefe Depression, gilt es im Coaching zu prüfen, ob nicht eine Therapie dem Coaching vorzuziehen wäre – denn Coaching kann keine professionelle Psychotherapie ersetzen.

Dauer: 33:01 Min.

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